Kapitel 2
Beim Abendessen war die Stimmung beim vorläufigen Tiefpunkt
angelangt. "Könntest du mir bitte die Flasche da reichen?" fragte
Thomas (auf deutsch,weil seine Großeltern aus Deutschland stammen und mit ihm
meist deutsch redeten,genau wie seine Eltern) und zeigte auf die Wasserflasche.
Ich nahm sie und knallte sie so auf den Tisch,vor seine Nase,dass alles
wackelte. "Bist ja selbst so eine FLASCHE." murmelte ich,möglichst
leise. Aber anscheinend hatten es die Erwachsenen gehört. Denn Mom sah mich mit
einem strengen Blick an. "Alleyna!",ich hasse diesen
Namen,"Schluss jetzt! So etwas will ich nicht noch einmal
hören,verstanden?!" Ich antwortete nicht. Ich steckte mir einfach das
letzte Stück Brötchen in den Mund,sprang auf und ging nach oben. "Das kotz
so an,ey!" schrie ich und knallte die Zimmer-Tür hinter mir zu. Boah eh.
Eine Viertelstunde später
klopfte es an der Tür. Meine Mom steckte ihren Kopf ins Zimmer. "Schatz?
Darf ich reinkommen?" fragte sie. Ich nickte nur. Mom setzte sich zu mir
aufs Bett. "Liebling. Ich weiß,das alles ist schwierig. Du vermisst deine
Freunde und dein Zuhause. Das kann ich verstehen. Aber Thomas hat uns
angeboten,bei ihm einzuziehen. Und du weißt,dass wir die Wohnung nach Dads
Trennung innerhalb von zwei Monaten hätten verlassen mussten,da wir die Miete
nicht bezahlen konnten. Du solltest Thomas dankbar sein."
Thomas,Thomas,Thomas. Der trieb mich noch zur Weißglut,man. Es war ja nicht
so,dass ich ihn hasste. Es war nur...Ich hatte das Gefühl,er wolle Dad
ersetzten. Aber das ging nicht. Ich wusste,dass Dad irgendwo in Indien bei
seiner neuen Flamme war. Die kein bisschen Deutsch kann,nur Englisch.
Gebrochenes Englisch. Ich vermisste Dad,auch wenn er uns mit fehlendem Geld für
die Miete zurück gelassen hatte. Ich wünschte,ich könnte Dad sofort wiedersehen
und ihm mein Leid klagen. Er würde es verstehen. Er war Arzt. Aber für mich war
er irgendwie so eine Art Psychologe. "Schatz. Bitte,gib Thomas eine
Chance." Ich presste die Lippen zusammen. Eine Chance. Vielleicht.
"Nicht so einfach,Mom. Ich versuche es,ja?" Mom lächelte.
"Klar,Schatz. Danke." Sie drückte mir einen Kuss auf die Stirn. Ich
lehnte mich an sie und weinte. Ich weinte,weil mich die Ereignisse so fertig machten.
Umzug,Streit. Und so... Einfach nervig und scheiße... Nachdem ich mich ein
wenig beruhigt hatte,kam meine Schwester ins Zimmer: Elisa. Elly nenne ich sie
immer. Sie ist gerade mal fünf Jahre alt. "Bist du böse auf Elly?"
fragte sie und sah mich an. Ich lächelte. "Nein,Süße. Nein. Ich bin nicht
sauer auf dich,Elly. Auch nicht auf Mama oder...Thomas. Einfach ein bisschen
müde und so." Ich nahm Elly auf den Schoß und drückte sie fest an mich.
Sie lachte ihr glockenhgelles Lachen und schmiegte sich in meine Arme.